2003 – 2006: Der Rentner

Nachdem bei 435.000km das Getriebe der Diva (Beschreibung folgt) auf der A12 über einen defekten Antriebswellensimmerring seinen gesamten Ölinhalt auf die Straße spuckte und infolgedessen wenige Kilometer später mit einem lauten KLONK! als Ausdruck seines Mißfallens seine Arbeit niederlegte hatte ich von Saab erstmal die Nase voll. Die Diva war zwar bezaubernd, aber chronisch unzuverlässig, Ersatzteile kaum zu bekommen und/oder überteuert und keine Werkstatt kam damit klar (HFT und Doctor-D kannte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht).
Zugleich war aber klar, daß ich das Studentenleben aufgeben und wieder eine Uniform anziehen würde – da würde ich ein zuverlässiges Auto brauchen, der Dienstherr erwartet schließlich Pünktlichkeit. Neuwagengelump kam nicht in Frage (rechnen konnte ich auch damals schon). Was also war klassisch, hatte Stil und war zuverlässig?

Nach kurzem Nachdenken landete ich bei alten Mercedes. Vorzugsweise als Diesel. Zur Einstimmung las ich im w123-Forum und besuchte das Berliner Benz-Treffen (damals noch in Mahlow), traf nette Leute, belegte den Crashkurs „Kaufberatung w123 – Rost, Rost und nochmal Rost“ (leider ohne Zertifizierung) und sah am Beispiel des das Treffen besuchenden, zu jener Zeit in der Altmercedesszene nicht unbekannten „Uncle Benz“, eines 200d mit damals schon deutlich über 800.000km auf dem Tacho, meine Eindrücke bestätigt. (Uncle Benz knackte später auch noch die Million.) Als ich dann auch noch auf die besoldschen Reiseberichte stieß stand mein Entschluß fest: mein nächstes Auto wird ein w123 mit Dieselmotor.

60 PS auf 150kg Leergewicht. Reicht.

60 PS auf 1500kg Leergewicht. Reicht.

Gesagt, getan. Flugs David Bothen angerufen, den in Bottrop residierenden damals unangefochtenen König der w123-Gebrauchtkramhändler und Herr über lagerhallenweise Handelsware (sowohl am Stück wie filetiert). Ja, er habe da was für mich, könne ich mir anschauen. Gesagt, getan, hingefahren, angeguckt, probegefahren, mitgenommen. Es war oben abgelichtetes classicweßes Ungetüm. (Mit Davids Expertise war ich übrigens so zufrieden, daß ich den Sportunimog ebenfalls von ihm kaufte. Das war ein noch besseres Geschäft.)

200d, Drittserie, sehr gute Karosserie (von mir wenig später mit einer Dinol-Kur bedacht), zwei Vorbesitzer, jungfräuliche 140.000km. Innen Stoff Dattel. Viergangschaltgetriebe. Extras: Zentralverriegelung und Radio. Nicht Radio/Kassette, nur Radio. Das hat auch Vorteile: Bandsalat gibt es da keinen. Die Mittelarmlehne stand nicht auf der Datenkarte, die hatte David dem Wagen noch spendiert.

Tja, was soll man sagen? 60 PS reichen tatsächlich. Jedenfalls zum Ankommen. Angekommen bin ich immer.
Auch als ich meine Winterreifen-Lektion lernte und mit den montierten Ganzjahresreifen (der Wagen kam aus dem Ruhrgebiet) auf verschneiter polnischer Straße auf dem Weg nach Landsberg/Warthe (‚tschuldigung: Gorzow Wielkopolski) einen noch reichsdeutschen Kilometerstein (der Adler war jedenfalls schwarz, nicht rot…) mitnahm. Keine Angst, außer einer Lackabplatzung an der Frontschürze und einer verbogenen Spurstange ist nichts pasiert.
Auch als der Wagen während der Basisausbildung für Auslandseinsätze auf dem Standortübungsplatz als Darstellungsmittel mißbraucht wurde und etliche Geländefahrten, Checkpointausbildungen und Durchsuchungen über sich ergehen lassen mußte.
Auch als ich auf dem mittleren Ring im dichten Schneetreiben den A8 des Chefs einer weltweit bekannten Consultingfirma zusammenschob (er saß nicht drin, die Gelegenheit war also leider nicht karrierefördernd auszunutzen), der bei gelbem Licht vor der Ampel den Anker warf und tatsächlich mit unmöglich kurz geglaubtem Bremsweg zum stehen kam.
Mit der damaligen Freundin über Feldwege und querfeldein durch Pommern und Kaschubien auf der Suche nach ungestörten Stränden an einsamen Seen…
Egal. Auf dieses Auto konnte ich mich verlassen, bedingungslos.

Keine Angst: wenige Wochen und DM 4000,- später sah man dem Wagen nichts mehr an. Von der Beleuchtung mal abgesehen wäre der Wagen übrigens auch in diesem Zustand betriebsfähig gewesen...

Keine Angst: wenige Wochen und DM 4000,- später sah man dem Wagen nichts mehr an. Von der Beleuchtung mal abgesehen wäre der Wagen übrigens auch in diesem Zustand betriebsfähig gewesen – der Kühler ist dicht geblieben. Der Schaden am Audi betrug dagegen über 27.000 Doppelmark.

Insgesamt war der Wagen (zum Schluß mit Wintersaisonkennkennzeichen) 14 Monate auf der Straße und hat in dieser Zeit 94.500km zurückgelegt. Probleme? Eigentlich nur selbstverschuldete.

Außerplanmäßig fielen an:
1 Spurstange und Vermessung ( Kilometerstein, siehe oben)
– Stoßdämpfer rundum bei einer Laufleistung von 200.000km (das fällt unter zu erwartenden Verschleiß)
1 Traggelenk bei km 235.000 (ebenfalls erwartbar)
Stoßstange, Kühlerträger, Motorhaube, Kotflügel, 2 Scheinwerfer, 1 Blinker: Kollateralschaden Audikompression, siehe oben
1 Tachowelle (kostete damals bei Mercedes inklusive Einbau und Hol- und Bringservice 57€)

Nehmen wir den selbstverschuldeten Kram mal raus, so bleibt etwas Verschleiß am Fahrwerk nach überschreiten der 200.000er-Grenze und die Tachowelle. Zum Vergleich lese man einen beliebigen 100.000km-Test der Autobild.
Mein damaliger Entschluß war jedenfalls goldrichtig: mit dem 200d hatte ich ein solides, unverwüstliches Fahrzeug gefunden.
Verkauft habe ich 2006 in einem Anfall von Vernunft – ich hatte ja schon den Sportunimog, der alles besser konnte und mit einem satten Liter mehr Hubraum gesegnet war – an einen gewissen Arno aus Essen.
Sollte der weitere Verbleib innerhalb der geneigten Leserschaft bekannt sein freue ich mich über Hinweise.

Zum Schluß: Bilder.

PS: Ganz zum Schluß zwei kleine Tips für Geländefahrten: Reifendruck reduzieren. (Auf befestigten Wegen wieder das Wiederaufpumpen nicht vergessen! Fußpumpen sind toll. Gerüchteweise soll es auch elektrische Luftpumpen mit Anschluß über den Zigarrenanzüder geben.) Außerdem kann man mit getretener Feststellbremse ein Sperrdifferential simulieren, gerade auf Sand und im Schlamm hilft das sehr.

7 Antworten zu 2003 – 2006: Der Rentner

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  3. larsdithmarschen schreibt:

    Der Benz gefällt mir prima! Ich habe die Geschichte hier zum Rentner und auch zu deinem Sportunimog genossen.Es sind schon tolle Autos. Auch die Fotos sind klasse! Relativ zeitloeses Design Unser Nachbar hatte vor x Jahren einen W123er. In rot oder braun, so genau weiß ich das nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass der kaputt ging durch einen Unfall und dann ein damals neuer W210 angeschafft wurde.

    Ich überlege nun selbst mir einen Diesel anzuschaffen. 70 Kilometer am Tag fahre ich, da kommt für einen armen Studenten wie mich schon eine Menge Geld zusammen. Am liebsten hätte ich ja etwas Altes. Der 123er steht schon weit oben auf meiner Liste. Die Touren vom braunen Benz, deine Geschichte hier und auch die Erfahrungen von einigen Taxifahrern im Bekanntenkreis stärken eigentlich mein „Kaufen!“-Gefühl. Allerdings sind die ja schon recht teuer geworden. Nur als 200d-Limousine gerade noch so erschwinglich. Und da bin ich mir mit dem Verbrauch und den Fahrleistungen bezüglich Autobahn/Stadtverkehr nicht so sicher.

    Naja, wird sich schon etwas finden.

    Schöne Grüße
    Lars

    • turboseize schreibt:

      Das Problem ist nur, daß gute 123er-Diesel mittlerweile erstens rar und zweitens teuer geworden sind.

      Fahrleistungen sind beim 200d kein wirkliches Problem. In der Stadt an der Ampel steht man niemandem im weg rum – der limitierende Faktor ist hier nämlich nicht das bescheidene Leistungsgewicht, sondern die Schnarchnase vor Dir, die entweder wahlweise das Gaspedal durchzutreten sich nicht traut oder den von der Startstopautomatik abgewürgten Wagen erstmal wieder anwerfen lassen muß…

      Auf der Autobahn reicht die Motorleistung zum Überschreiten der Richtgeschwindigkeit aus, jedenfalls in der Ebene.
      Ich bin, als ich den Wagen hatte, hauptsächlich vom Niederrhein nach Landsberg (Warthe) gependelt, danach München – Frankfurt (Oder). An einem durchschnittlichen Freitagnachmittag war an höhere Geschwindigkeiten verkehrsaufkommensbedingt eh nicht zu denken, also ist das keine wirkliche Einschränkung.

      Allerdings entwickelt man in dem Wagen einen digitalen Gasfuß. Ein 200d wird ausschließlich mit Vollgas gefahren.
      Das dürfte auch der Grund sein, warum mir einst ein marokkanischer Gebrauchtwagenhändler bei der von mir vorgebrachten These, einen Mercedesdiesel könne man von der technischen Seite her eigentlich unbesehen und ungeachtet der Kilometerstände kaufen, heftig widersprach: die OM 615 taugten nichts, davon müsse er mir abraten, die gingen nämlich alle vor der zweiten Million kaputt. 😀

      Wenn Du die Liquidität hast, schlag zu. Die Dinger haben was. Aber sei Dir um Himmels willen bei der Karosserie sicher… wenn da einmal der Gammel drin ist kriegst Du den nie wieder raus, beziehungsweise Dein Karosseriebauer hat Arbeit bis zu seinem Lebensende.
      Daß die Kisten so steif und für damalige Verhältnisse sicher sind hat Mercedes mit einer unglaublich verwinkelten Karosseriestruktur erkauft. Hohlräume, Knotenbleche, Verstärkungen ohne Ende. Deshalb kann man einen w123 mit 130 über Schotterpisten prügeln, ohne daß irgendwetwas knarzt, aber deshalb bringt Dich Rost an einem w123 auch finanziell ganz schnell ins Grab.
      Kauf die beste Karoserie, die Du kriegen kannst, die Technik ist mehr oder weniger egal. Erstens ist alles grotesk überdimensioniert, zweitens ist alles recht übersichtlich und selbstschrauberfreundlich.

      Falls Du noch weitere Kaufgründe suchst:
      http://www.duenomat.de

      • larsdithmarschen schreibt:

        Vielen Dank für die Tipps! Also kann ein 200D doch in der Stadt mitschwimmen. Da freut mich zu hören.

        Ich glaube, die Karosserieprobleme hatte der /8er auch schon, oder? Ich meine mal gelesen zu haben, dass der als „unrestaurierbar“ sei, weil er so viele Verstärkungen hat. Mein Vater hätte ja ein wenig Übung im Schweißen, wobei so ein Buckelvolvo ja schon wesentlich einfacher aufgebaut ist, als ein W123er. Ich werde auf jeden Fall weiter nach 123ern gucken. Wenn mir etwas Schönes über den Weg läuft, dann werde ich wohl zu schlagen. Wenn nicht, dann nicht. Wobei ich echt gerne mal einen Stern auf der Haube hätte 😉

        Schöne Grüße
        Lars

        • turboseize schreibt:

          Karosserieproblem ist übertrieben. Die ersten Jahrgänge rosten wie alle 70er-Jahre Autos im Zeitraffer, aber die Drittserie war ab Werk eigentlich ganz brauchbar konserviert.
          Nur wenn an einem Altbenz Rost dran ist, dann ist es bei einem Altbenz halt immer um einige Größenordnungen aufwendiger. Muß man wissen, dann kann man sich darauf einstellen.

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