Ohne Mängel! Oder doch nicht?

Tadellos sei das Plüschtier, schrieb neulich der Prüfingenieur. Ich hatte ja leichte Bedenken wegen der nach scharfer Fahrt gelegentlich schwitzenden ATF-Leitungen und der seit dem Tiefgaragenmalheur ersatzteilpaßformbedingt leicht undichten Abgasanlage, aber offenbar bin ich bei sowas deutlich pingeliger als ich es sein müßte.

Eine allgemeine Durchsicht gab es dann bei Pinkowski. Es blieb beim Durchsehen – das Öl wollte ich selber wechseln, und alle anderen Verschleißteile/-Flüssigkeiten kamen ja neulich erst neu. Das Kühlwasser war beim Kühlertausch gewechselt worden, die Bremsflüssigkeit erst letztes Jahr.
Das Öl war zwar auch erst 5000km alt, aber eben schon 13 Monate im Motor. Unabhängig vom Zeitablauf hätte ich so oder so das Intervall (gemessen an den km) verkürzt, denn das Plüschtier war bei den belgischen Vorvorbesitzerinnen arg vernachlässigt worden. Bei der Instandsetzung kamen nur Kopf und Kette runter; auf das Abnehmen der Ölwanne, was beim 900 bekanntlich dazu führt daß man Motor und Getriebe voneinander trennen muß, hatte HFT mit Rücksicht auf meine studentischen Finanzen verzichtet. In Block und Ölwanne schlummerte also noch einiges an Ablagerungen und Schlamm, die es mit verkürzten Intervallen auszuspülen galt gilt. Den ersten Ölwechsel nach der Instandsetzung hatte ich deshalb schon nach etwas über 1000km vorgenommen, in der Folge pendelten sich die Ölwechsel auf ein 5000km-Intervall ein. Gefühlt wurde das Öl dabei immer später schwarz (aber immer war es spätestens bei 5000km weitaus dunkler als ich es von Schneewittchen und Veronica nach 10.000km gewohnt war).

Mannol 10w-40 nach 5000km/13 Monaten.

Auch der Ölverbrauch ging deutlich zurück. Mußte ich teilweise zu Beginn schon mal einen Liter binnen eines Intervalls nachfüllen, so kam das Plüschtier im letzten Intervall ganz ohne Nachfüllen aus. Und während der Wagen bei der Überführungsfahrt noch mit dem Weserbergland so seine liebe Mühe hatte, so läuft das Plüschtier mittlerweile jede (!) Steigung auf A9 und A8 mühelos im Tempomat mit 120km/h (oder der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit… 😉 ) hoch. Die Kolbenringe sind mittlerweile also auch wieder frei. Eigentlich war ich also verhalten optimistisch.

Dann aber lag beim Abschrauben des alten Ölfilters plötzlich dieser Brocken oben auf dem Filter.

Die photographierte Seite ist rau und scheint die Textur einer Gußoberfläche angenommen zu haben, die andere glatt und glänzend. Das Ding ist semi-spröde, d.h. es läßt sich recht weit biegen, bevor es bricht. Also keine Ölkohle, sondern eher eine lackartige Ablagerung.
Man hört liest in Autoforen ja immer wieder Horrorgeschichten. Man möge ja kein synthtisches Öl in alte, eventuell vernachlässigte Motoren kippen – das löse die Ablagerungen, und dann wanderten lustige Brocken durch die Maschine und schlügen alles kaputt oder blockierten Ölleitungen. Unfug sei das, wird dann immer entgegnet, Öl löse solche Ablagerungen sanft auf und halte den den Dreck in Schwebe, keinesfalls würde irgendwelcher Dreck großflächig abgelöst.
Das ist offensichtlich beides Bullshit. Jedes leidlich moderne (sprich: Nachkriegs-) Motoröl hat Reinigungsadditive, die Dreck in Lösung bringen und in Schwebe halten sollen. In diesem Fall war es mit dem Mannol eines der günstigsten 10w-40, die man kaufen kann. Dessen Additivpaket war offenbar stark genug, das zu vollbringen, was der Stammtisch den synthetischen Ölen vorwirft. Und offensichtlich können sich manchmal eben doch flockenartige Ablagerungen lösen, auch wenn ich das vorher nicht geglaubt hätte.

Bei der Neubefüllung wurde nicht gegeizt. Hinein kamen Mobil1 5w-50 und ein Mann w712/80. Die Ölwahl war auf das teure 5w-50 „peak life“ gefallen, weil Automatik-900 durch das höhere Drehzahlniveau gerne mal deutlich erhöhte Öltemperaturen aufweisen – und weil ich gehofft hatte, so langsam jetzt endlich auf ein „normales“ Ölwechselintervall von 10.000km gehen zu können (vorausgesetzt, ich führe die binnen eines Jahres). Das werde ich jetzt wohl doch nicht tun.
Das Mann-Filter, weil dessen Rücklaufsperrventil das flexibelste von allen bisher von mir aufgeschnittenen Filtern war und ich da Gefühl hatte, daß das Champion-Filter über die lange Winterpause leer gelaufen war. Beim ersten Start zu Saisonbeginn hatte es gefühlt eine Ewigkeit gedauert, bis die Öldruckwarnleuchte erlosch. Das bestätigte sich dann auch beim tatsächlichen Ölwechsel. Das Ölfilter steht im 900 schräg vom Motor ab. Normalerweise gibt das immer eine üble Sauerei beim Abschrauben, diesmal lief der Filterwechsel fast ganz ohne Kleckern ab – im Champion stand deutlich weniger Öl als erwartet.

Ölprobe genommen, Filter aufbewahrt.

Das Filter habe ich zur weiteren Analyse aufbewahrt. Nachdem auf meinem Schreibtisch auch noch ein vorbezahltes Probengefäß herumlungerte entnahm ich beim Ölwechsel auch eine Ölprobe. Auf deren Ergebnisse bin ich gespannt, ich erwarte mir jedoch nur eine bedingte Aussagekraft. Interessant wäre zu wissen, wie „fertig“ das Öl selbst nach dem zeitlich langen, laufleistungsmäßig aber kurzen Intervall war. Bei den Verschleißmetallen erwarte ich erhöhte Werte – nicht unbedingt wegen des innerhalb des Intervalls stattgefundenen Verschleißes, sondern weil sich in den aufgelösten Ablagerungen ja auch der katastrophale Verschleiß bei den Vorbesitzerinnen niedergeschlagen haben dürfte. Was auch immer dabei herauskommt: Ich halte Euch auf dem laufenden.

Zum Abschluß gestatte mir der geneigte Leser noch ein kleines Nachtreten.
Dieses Auto zeigt mit diesem Erlebnis wieder einmal, daß der bei Autoverkäufern verbreitete Wahn, ein Auto müsse einen niedrigen Kilometerstand haben, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, völlig für den Arsch ist.
Viel wichtiger als der Kilometerstand ist der tatsächliche Zustand. Der hängt nicht davon ab, wieviele Kilometer das Auto bis dato gefahren ist, sondern wie diese Kilometer zustandegekommen sind. Und da steht ein gepflegtes und gewartetes Langstreckenfahrzeug in den allermeisten Fällen deutlich besser da als eine Kurzstreckengurke mit Wartungsstau. Minderkilometrige Autos sind ok, wenn es sich um verhätschelte Zweit- und Drittwagen aus solventem Vorbesitz mit vernünftiger Wartungshistorie handelt. Alltagsfahrzeuge aus Damenhand, kurz: „Frauenautos“, meide man dagegen wie die Pest. Das sind nämlich bei niedrigen Kilometerständen in der Regel Kurzstreckengurken, und wenn die dann nicht nachweislich außergewöhnlich penibel instandgehalten wurden, dann war es das. Mit Wartungsmangel und ungünstigem Einsatzprofil bekommt man einen Motor auch auf kürzeste Distanz zugrundegerichtet.
Das Plüschtier habe ich also nicht wegen, sondern trotz seines niedrigen Kilometerstandes gekauft – weil der Rest einfach hübsch aussah, und weil man einen walnußbraunen Steilschnauzersedan mit rosarotem Plüsch nicht einfach vor die Hunde gehen lassen darf.

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Das Leben ist zu kurz für langweilige Autos.
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Eine Antwort zu Ohne Mängel! Oder doch nicht?

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