Marderschaden, die Zweite, oder: wie man zu einem Neuwagen kommt (und froh ist, ihn wieder loszuwerden)

Wie ich woanders schon einmal schrieb, gibt es nutzlose Tiere. Darunter einige, wie Katzen, die wir trotzdem mögen. Und andere, die nicht nur nutzlos, sondern in höchstem Maße schädlich sind. Zu diesen Schädlingen gehört der Steinmarder (Martes foina).

Im Dezember erwischte es mich erneut. Abfahrt in Berlin, davor noch, gelernt ist gelernt, TD vor der Benutzung. Kühlmittel? Max. Motoröl? Paßt. Getriebeöl? Ausreichend. Wischwasser? Voll. Licht? Leuchtet. Na dann… auf geht’s!

Auf der Autobahn dann ein Nachlassen der Heizleistung. Zugleich leicht erhöhte Temperatur. Nicht besorgniserregend, nur fast mittig anstatt wie üblich bei 1/3 der Anzeige. Merkwürdig. Kühlwasserverlust? Moment, bei Überhitzung verschließt das Thermostat den Heizungszugang… irgendwas war da. Vielleicht klemmt das Ding ja irgendwie halboffen, so daß die Lüftung schon zu ist, aber der Motor bleibt durch den Fahrtwind kühl genug… es ist ja immerhin Winter und deutlich unter Null. Nee, kann eigentlich nicht sein. Schneller fahren, die Temperatur sinkt, langsamer,es wird wärmer. Und während ganz langsam das Hirn beschließt, die große Alarmleuchte einzuschalten, schnellt plötzlich der Temperatur auf Anschlag. Es ist dunkel, es ist neblig, es ist glatt.
Keine Gute Idee, sich jetzt auf den Seitenstreifen zu stellen. Leben vor Material… Halte durch! Nach endlosen Kilometern schleppt sich der Saab auf einen Rastplatz und bleibt in einer Dampfwolke stehen.
Das Leck ist schnell gefunden, aber das hilft nichts. Die Notreparatur mit Panzertape, dann Kühlwasser auffüllen, Ausgleichsbehälterdeckel lösen (um zu verhindern, daß sich Druck im Kühlsystem aufbaut) und vorsichtig weiterfahren fällt aus: ich habe keinen Frostschutz dabei, und bei fast zweistelligen Minusgraden wäre es ziemlich wagemutig, sich ohne Kühlerfrostschutz auf die Autobahn zu wagen und eine noch dümmere Idee, den Wagen dann am Ziel draußen abzustellen – was ich müßte, denn eine Garage habe ich nur in Berlin. Außerdem ist unklar, ob Zylinderkopf und oder Zylinderkopfdichtung etwas abbgekommen haben, und wenn diese allzuviel Wasser in einen oder mehrere Brennräume pumpen könnte das den Schmierfilm abwaschen, dann käme noch ein Kolbenklemmer hinzu…
Das sieht auch der herbeigerufene gelbe Engel so, der sich daran erinnert, mal zwei 900er mit Kopfdichtungsschaden abgeschleppt zu haben, und mir eindringlich von Notreparatur und Weiterfahrt abrät. Stattdessen organisiert er mir einen Abschlepper und einen Ersatzwagen und macht der entsetzten Dame im Callcenter klar, daß Baujahr 1985 und 504.000km keinesfalls immer mit einem wirtschaftlichen Totalschaden gleichzusetzen sind, vor allem dann nicht, wenn es sich um einen Saab-Scania handelt.
Das einzige Problem: wir befinden uns mitten im Nirgendwo, genauer gesagt bei Dessau. Ich hab zwei Mädchen an Bord, es ist -9°, und den Motor anzumachen und das Auto zu heizen verbietet sich nachvollziehbarerweise. Die Panne kommt zum unglücklichsten Zeitpunkt, beim Straßendienst sind alle Fahrzeuge im Einsatz. Der Abschleppwagen kommt daher aus Halle… das dauert.
Bis der Wagen aufgeladen ist sind nach Schadenseintritt zweieinhalb Stunden vergangen. Zum Glück leben die Mädchen noch. Auf dem Abschlepper zuckeln wir eine Ewigkeit bis nach Halle, wo als Ersatzwagen ein VW Touran auf uns wartet. Um Mitternacht ist dann alles umgeladen und es geht weiter, in den frühen Morgenstunden erreichen wir München, wo ich mich dann völlig zerschlagen aus den grottenschlechten Sitzen des Touran quälen werde. Selbst todmüde entgeht mir ein ein Detail nicht: In der Stadt sinkt der Durchschnittsverbrauch laut Bordcomputer von 8,8 auf 8,6 Liter. Sehr suspekt, oder, um es in der Netzsprache auszudrücken: WTF?!?

Eine Woche habe ich den Wagen, genug, um ihn sich einmal genauer anzusehen. Touran, 1.4 TSI, 140 PS. (Bilder erspare ich dem geneigten Betrachter an dieser Stelle. Wie der Klotz aussieht dürfte bekannt sein, falls nicht hilft google sicher weiter.) Der Sinn und Zweck des Fahrzeuges blieb mir während der gesamten Nutzungszeit verborgen.
Man sitzt hoch. Der Schwerpunkt ist hoch. Kurven verursachen Panikattacken und Todesangst. Über meinem Schädel bleibt ein halber Meter Luft. Bei 1,90m Größe und aufrechter Stellung der Rücklehne wohlgemerkt! Eine Verwendung für diesen Luftraum erschließt sich mir nicht, als Stauraum ist er jedenfalls nicht zu gebrauchen, jedenfalls, solange die berühmten Siemens Lufthaken nicht wieder lieferbar sind. Eines aber weiß ich: Luftwiderstand ist Beiwert mal Frontfläche, und letztere wird durch die Fahrzeughöhe unnötig nach oben getrieben. Was also soll das? Ein vernünftiger Kombi kann auch vier Personen und Gepäck aufnehmen. Dazu braucht man nicht einen halben Meter Luft über dem Schädel spazierenzufahren, man muß auch nicht unnatürlich hoch sitzen und hat nicht notwendigerweise Einbußen beim Fahrverhalten und auch keinen sinnlosen Mehrverbrauch. Sollte ein Leser zur Aufklärung beitragen können bitte ich um Nachricht.

Aber kommen wir noch einmal zum Herz des Autos zurück, dem Motor. Sparsam und stark soll er ja sein, der aufgeladene Downsizingbenziner. Daß das prinzipiell geht zeigt Saab ja schon seit einigen Jahrzehnten, schön, daß jetzt auch andere Hersteller das Konzept aufgreifen.
Die Motorcharakteristik des TSI ist gar nicht mal so verkehrt, im Gegenteil sogar recht ansprechend: Das Turboloch ist minimal, der Motor schiebt schön aus dem Drehzahlkeller. Nervig dagegen die Geräuschkulisse. Unter Vollast nagelt das Ding wie ein Diesel. Naja, Direkteinspritzer laufen eben etwas rauer. Aber sonst? Ganz ok. Der kleine Motor kommt mit dem schweren Touran gut klar, untermotorisiert fühlt sich der Wagen nicht an, trotz nur 1,4 Litern Hubraum. Hubraum kann man eben doch ersetzen, zwar nicht durch Drehzahl, aber durch Ladedruck. So weit, so gut.

Wie sieht es aber mit der Sparsamkeit aus?
Nachtanken in München ergibt entgegen der vom Bordcomputer gemeldeten 8,6 Liter einen Durchschnittsverbrauch von 9,2 Litern. Oha.
Die Rückfahrt trete ich alleine an, in Berlin werde ich mich über 2 Liter Minderverbrauch wundern, später dann über einen grotesk hohen Stadtverbrauch, wenn der Wagen nicht nur nachts über den mittleren Ring rollen darf, sondern sich durch den berliner Berufsverkehr kämpfen muß. (Wobei man fairerweise zugeben muß, daß 12 Liter für ein so schweres Auto mit Benzinmotor im Kurzstreckenstadtverkehr objektiv völlig in Ordnung gehen. Lediglich die Erwartungshaltung war eine andere.)

Im Detail:
Langstrecke, tendenziell bergab (München – Berlin), max 120km/h, penibles Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzungen, wo möglich Tempomat, vorausschauend gefahren, nur 1 Person (Fahrer) an Bord: 7,21.
Zum Vergleich: in Gegenrichtung (Halle-München) mit drei Personen, minimal höherer Vmax (aufgrund des Nebels fast nie ausgereizt) waren es 9,2.
Berliner Stadtverkehr, Kurzstrecke: 12,3 laut BC.

Schaut man sich die beiden Langstrecken an wird man stutzig.
Nur mit dem Fahrer an Bord, und mit maximal 120 km/h ist der Wagen für eine rollende Schrankwand absurd sparsam. Aber mit drei Personen mehr und leicht bergauf ist der Motor anscheinend überfordert, 2 Liter Mehrverbrauch finde ich schon recht unverhältnismäßig.
Es gibt also einen ganz erheblichen Verbrauchssprung, sobald man den im Verbrauchszyklus gefahrenen Geschindigkeitsbereich einmal kurz verläßt oder die Kiste ein paar Insassen mehr bewegen muß.
Das legt für mich den Schluß nahe, daß VW dem eigenen Material oder der Dimensionierung nicht traut und versucht, die Kiste beim leisesten Anzeichen einer Leistungsanforderung mit eimerweise Sprit unter Kontrolle zu behalten. Ob das für den Kunden sinnvoll ist oder nicht scheint da nebensächlich gewesen zu sein, Hauptsache die Verbrauchswerte im Fahrzyklus sehen gut aus.

Zum Vergleich: bei Tacho 130 mit Tempomat auf der Langstrecke bekommt man eine ausgewachsene S-Klasse, nämlich den w126, sowohl als 300er wie 500er auch auf 10 Liter. Egal, wie viele Leute da drin sitzen… (Der 560er ist durch das kurze Differential zu versoffen, unter 11,9 geht da leider nichts).
In der Stadt wären das dann aber eher 16-17 Liter (560 nicht unter 20), das sollte man fairerweise zugeben.
Der Griffin hat übigens trotz des angeblich „versoffenen“ 3.0 v6 bei gleicher Fahrweise, auch vollbesetzt mit vier Personen und Gepäck, immer deutlich unter neun Liter genommen. Hmmm. Ein 3-Liter V6 mit 211 PS gegen einen 1,4-Liter Vierzylinder mit 140 PS, und der v6 ist sparsamer. Schneewittchen und Veronica, beide mit dem b202, einem aufgeladenen 2-Liter-Vierzylinder mit 160+ PS, bleiben ebenfalls drunter, nämlich bei 8,6 (900) bzw 7,9 (9000).
Verglichen mit einem 29 Jahre alten Motor ist der TSI also sparsamer im Normzyklus. Aber anscheinend nur da.
Toller Fortschritt, VW.

Was bleibt?
Ein guter Eindruck vom ADAC, der zwar auch mit der Einsamkeit der ostdeutschen Steppe zu kämpfen hat, aber völlig unkompliziert für eine Woche einen Ersatzwagen stellt und den havarierten 900er etliche hundert Kilometer zu meiner Wunschwerkstatt transportiert.
Und ein äußerst durchwachsener Eindruck von VW, die zwar ein völlig sinnloses und unnützes Fahrzeugkonzept handwerklich sauber umsetzen – an der Verarbeitung gibt es wirklich nichts zu mäkeln. Da klappert und da scheppert nichts, und wo man auch hinlangt fühlt sich alles ganz nett an. Aber langstreckentaugliche Sitze wünscht man sich schon, und daß der Motor auf nicht auf Verbrauchsmeßzyklen auf dem Prüfstand, sondern auf die Realität abgestimmt würde. Traurig war ich jedenfalls nicht, als ich den Touran nach einer Woche wieder zurückgeben mußte.
Zu guter Letzt aber auch Freude, daß der 900 die Episode anscheinend ohne weitere Schäden überstanden hat – einige wenige Tage später erreicht mich die Werkstatt mit der Nachricht, daß sowohl eine Kompressionsmessung als auch der CO-Test im Kühlwasser und das Abdrücken des Kühlsystems ohne Befund geblieben sind. Oder, um es mit den Worten des Meisters zu sagen: „Zähes Biest, dat Schneewittchen.“

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Das Leben ist zu kurz für langweilige Autos.
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8 Antworten zu Marderschaden, die Zweite, oder: wie man zu einem Neuwagen kommt (und froh ist, ihn wieder loszuwerden)

  1. Pingback: Altes Auto im Alltag: Zwischenbilanz nach fünf Jahren und 209.000km | Schneewittchensaab

  2. Hauke schreibt:

    Odüsseusz unterwegs 😉
    Aber die Fellviecher können nerven. Ich erinner mich an Zündgeschirr. Zwei Sätze 6-Zylle in einer Woche. Karte zieht …

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