Sie wehrt sich!

Es gibt Leute, die billigen Gegenständen eine Seele zu. Insbesondere alten Autos. Zwar bin ich kein Animist, aber Schneewittchen beispielsweise ist unzweifelhaft weiblich. Wie (fast) alle Autos und wie Schiffe und Flugzeuge auch. Das macht nämlich gelegentliche Zickigkeiten für Nutzer und Halter psychologisch leichter erträglich, weil verständlich. Man kennt es ja. (Konsequenterweise sind die einzigen männlichen Autos alte Mercedes mit Vorkammerdiesel. Die sind zuverlässig und berechenbar, aber eben auch eher etwas simpler gestrickt…)

Schneewittchens zarte weibliche Seele muß also mitbekommen haben, daß mir vorletzte Woche ein unmoralisches Angebot gemacht wurde. Oder sie hatte den Kauf der Vectra übelgenommen. Jedenfalls reagierte sie, wie zu erwarten war: mit schlechter Laune. Und einer Szene.

Dabei hatte die Geschichte eigentlich ganz nett angefangen. Ich hatte vor einigen Wochen in einem leichten Höllenritt von Berlin über Prag und Wien zwei linke Türen nach München geholt. Die alten waren wirklich nicht mehr schön. (Wenn Du das liest: Danke, Gerald!) Die Türen lagerte ich bei einem Freund in der Garage ein, weil mein Münchner Schrauber Frank Trubendorffer noch nicht wieder zurück war.

Kombinationskraftwagen sind völlig überbewertet. Eine Stufenhecklimousine reicht auch für den Transport sperriger Karosserieteile völlig aus.

Kombinationskraftwagen sind völlig überbewertet.
Eine Stufenhecklimousine reicht auch für den Transport sperriger Karosserieteile völlig aus.

Dabei hängten wir noch das Seil der Motorhaubenentriegelung wieder ein, das sich beim TD beim letzten Tankstop selbständig gemacht hatte und fluteten den Mechanismus mit Ballistol. Wir, das heißt: Alex reparierte und ich stand daneben und gab dumme Sprüche. Jeder nach seinen Fähigkeiten.

Dann kaufte ich die schwedische GM-Ranzbimmel. Schneewittchen verblieb beim Käufer, den ich schon seitgeraumer Zeit kenne, und der ernsthaft mit dem Gedanken spielt, sich einen 900 anzulachen – mit der Auflage „hab‘ Spaß – aber mach sie nicht kaputt…“. Also tat M. auf den Landstraßen des Pfälzer Waldes und des Elsaß wie geheißen, und Schneewittchen hatte offensichtlich auch ihren Spaß, denn: „der e28 M5 ist mir jedenfalls nicht weggefahren!“. Eine leichte Garstigkeit erlaubte sie sich aber doch, denn bei der ersten Vollbremsung wollte sie rechtwinklig abbiegen. Den Rest der Ausfahrt benahm sie sich aber.
(Ein Artikel mit den Bildern der Ausfahrt wird folgen.)
Dann brachte ich das Plüschtier bei M. vorbei, der sie zur Ausbesserung der Klarlackschäden an Motorhaube und Heckdeckel seinem Lackierer vorstellen wird. Zurück fuhr ich mit Schneewittchen, hatte bei auf der linken Spur ebenfalls einigen Spaß und kam wohlbehalten, wenn auch mit leerem Tank, wieder in München an.

In dieser Nacht kam die verhängnisvolle email. Daß ich das Plüschtier verkaufen will ist kein Geheimnis. Veronicas Käufer hatte in den Wochen nach dem Kauf festgestellt, daß er auch unbedingt einen 900 braucht. Und so hatten wir an einem Donnerstag Abend wiederholt, was schon zum Eignerwechsel des Schwedenfiat geführt hatte: eine nicht ganz ernstgemeinte Probefahrt mit Kaufberatung und Einweisung in die typischen 900er-Schwachstellen. Das endete, erwartungsgemäß, ohne Transaktion, aber mit einer bemerkenswerten Aussage: „Das ist ein tolles Auto, aber mit der Dreigangautomatik nichts für mich und meinen Fahrstil. Das ist ein Auto für jemanden, der schon einen anderen 900 im Alltag fährt. Der kann sich dann am Samstag mit einem Glas Wein in der Hand in die Garage vor dieses Auto setzen und es schön finden.“ So weit, so gut. Freitag holte ich das Schneewittchen zurück, über das Wochende kam eine mail. Ob ich mir vorstellen könnte, beide meiner 900 im Paket zu verkaufen? Vorausgesetzt, dat Schneewittchen führe tatsächlich so, wie man immer erzähle. Und da stand eine Zahl, die mich ernsthaft nachdenken ließ.

Bei der nächsten Fahrt versagten die Bremsen.
Eigentlich fuhr sich das Auto ganz normal und die Bremsen sprachen auch genauso gut (oder weniger gut) an, wie es die alte Girlingbremse nun einmal zu tun pflegt. Aber dann verschätze ich mich an einer Gelbphase und mußte etwas schärfer bremsen. Der zusätzliche Pedaldruck führte jedoch nicht zu einer stärkeren Bremsung. Es passierte einfach nichts, die Bremse bremste genauso gemächlich weiter wie zuvor. Als ob der Bremsdruck ab einem bestimmten Schwellenwert ins Nichts verschwände. Aber das Pedal fiel nicht durch… das Auto bremste einfach nicht mehr stärker. Hatte M. bei der M5-Hatz vielleicht die Beläge verglast?

Für den nächsten Werktag war eh ein Werkstattbesuch geplant. Die planmäßige 590.000km-Inspektion war überfällig, außerdem sollten endlich die neuen Türen montiert werden. Frank entdeckte auch recht schnell, daß die recht verwitterten Schwimmsättel auf ihren Führungen etwas hakten. Und als aus dem vorderen linken Sattel auch noch etwas Bremsflüssigkeit heraussuppte war klar: die müssen neu. Bremsschläuche macht man bei der Gelegenheit direkt mit.
Donnerstag morgen waren die Sättel da. Für Freitag war die entscheidende Probefahrt angesetzt. Das könnte noch klappen. Am Abend war ich wieder in der Werkstatt, Frank wurde gerade fertig.

Bei der Probefahrt trat man ins Leere. So, als wäre die Bremse nicht richtig entlüftet. War sie aber. Und es zischte aus Armaturenbrett und Fußraum. Die weitere Fehlersuche wurde auf den nächsten Morgen vertagt. Schneewittchen hatte vorerst gewonnen.

Zum Glück hatte Frank noch einen gebrauchten Hauptbremszylinder und einen Bremskraftverstärker im Lager. Freitagabend ging es dann endlich zurück nach Berlin. Die Verkaufsprobefahrt fand nicht statt.

Seitdem benimmt Schneewittchen sich wieder.

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Das Leben ist zu kurz für langweilige Autos.
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3 Antworten zu Sie wehrt sich!

  1. DerEast schreibt:

    Völlig klar, sie will halt einfach bei Dir bleiben…

  2. Pingback: Sommer befohlen! | Schneewittchensaab

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