Altes Auto, neues Öl – die 600.000km-Inspektion.

Schneewittchen wartete seit Mitte Dezember in München auf ihre planmäßige 600.000km-Inspektion. Daß es werkstattumzugsbedingt etwas dauern würde, bis sie drankäme war klar, leider eskalierten die organisatorischen Herausforderungen dann doch stärker als erwartet, so daß ich den Wagen schließlich wieder zurückholen mußte. Ihr drittes Leben beginnt Schneewittchen also mit einer Premiere: zum ersten Mal mache ich die Wartung an diesem Auto selbst. (Zuletzt hatte ich das beim Sportunimog gemacht.)

Öl und Filter, Luftfilter, Kerzen und einmal rund ums Auto (und drunter durch laufen). Die Kerzen hätte man gleich drin lassen können, rehbraun mit nur minimalem Abbrand. Saab will 0,6 bis 0,7mm Elektrodenabstand haben, gemessen habe ich 0,8. Einmal auf die Elektrode zu klopfen hätte wohl gereicht, aber nachdem ein Satz Kerzen nur grob 12 Ero kostet kann man sie auch gleich reinschrauben, wenn man sie schon da hat. (Wozu man übrigens wesentlich öfter auf ihnen herumklopfen muß, aus der Schachtel fallen die NGK BCP7ES mit 1,1mm Elektrodenabstand.)

Das unter-dem-Auto-Durchlaufen war weniger erfreulich. Die Standzeit im Salznebel hatte mir einigen Rost an den Bremsen eingebrockt – vorne links und hinten rechts sah man noch was auf den Bremsscheiben, und der Wagen zog auch auf dem Weg zur Selbsthilfewerkstatt beim bremsen leicht nach rechts. Den Großteil des Gammels habe ich wegbremsen können und die Balance hat sich auch wieder deutlich verbessert, trotzdem werde ich da wohl vor dem TÜV wahrscheinlich nochmal ranmüssen. Die Manschette der rechte Antriebswelle ist porös, aber dicht. Das Fahrwerks ist nicht nur nach meiner, sondern auch nach Ansicht einer anwesenden Fachkraft in Ordnung. Das Auto blutet zwar aus jedem Steinschlag – auf weiß sieht Flugrost immer ganz besonders furchtbar aus – aber schlimme Schäden hat dieser Winter nicht hinterlassen. Lediglich um die Abläufe in den Fondsfußräumen gibt es etwas Blätterteig, wohl eine Spätfolge des letztsommerlichen Wasserinbruchs. Die Stelle ist recht einfach zugänglich, so daß sich der finanzielle Aufwand für die Instandsetzung hoffentlich in Grenzen halten sollte.

Leuchtobst

Das rechtsvordere Blinklicht war am auf Anfahrt verstorben und wurde auch noch eben schnell mitgewechselt.

Gehen wir aber nochmal auf den Ölwechsel ein.

Ich erwarte einen Aufschrei. So dünnes Öl! Das ist ja wie Wasser! In einem so alten Motor! Wie kannst Du nur!
Nun, ich habe mir dabei tatsächlich etwas gedacht. Schneewittchen klappert nämlich gelegentlich mit den Hydrostößeln. Leichtes Hydrostößeölklappern für einige Minuten nach dem Kaltstart sei normal, sagt die Bedienungsanleitung. Nicht normal wäre, wenn die Hydros heiß anfangen würden zu klappern – weil das Öl beispielsweise abbaut und zu dünn wird. (Das hatte ich übrigens auch schon einmal. In grauer Vorzeit, weit vor der Motorevision, als ich Schneewittchen noch mit 10w-40 fuhr begannen sowohl dieses Auto wie auch der Klimawandler ziemlich genau 5000km nach dem Ölwechsel damit, Öl zu verbrauchen, komischerweise, direkt nachdem sowohl Shell als auch Mobil beide ihre 10w-40 umformulierten und nicht mehr „teilsynthtisch“ nannten. Im Klimawandler, der dankenswerterweise über eine Öldruckanzeige verfügt, konnte man zeitgleich beobachten, wie der Öldruck im Leerlauf deutlich absank. Schneewittchen begann zusätzlich zum Ölsaufen auch das Hydrostößelklappern nach scharfer Fahrt. Ich vermute, daß es dort einfach die VI-Verbesserer zerschoren hatte. Daraufhin wurden die Ölwechselintervalle halbiert, was das Problem beseitigte. Die 190.000km seit der Motorrevision bei HFT ist die Maschine bis jetzt ausschließlich mit 0w-40 betrieben worden, das Einfahröl einmal ausgenommen. Damit ist das „Heißklappern“ niemals aufgetreten.)
Schneewittchens Hydrostößel machen sich dagegen nur dann bemerkbar, wenn der Motor etwas kühler ist. Nicht nur beim Kaltstart, sondern imner dann, wenn der Motor nicht knallheiß ist. 600km Autobahnlangstrecke mit mindestens Richtgeschwindigkeit? An der ersten Ampel nach der Abfahrt ist Ruhe. Nach einer Viertelstunde Gegurke durch die Stadt kann es dagegen sein, daß sich die Hydros langsam wieder melden. Eine scharf gefahrene Gebirgsstraße? Auf der Paßhöhe ist alles bestens. Im Schiebebetrieb den Berg wieder runter, und würde man im Tal im anhalten und in den Leerlauf schalten – man würde es klappern hören. Gemütliches Landstraßengondeln durchs blitzerverseuchte Brandenburg: am Ziel klappern die Hydros im Leerlauf.

Offensichtlich mögen die Hydros also ein kühl etwas dünneres Öl – heiß ist ja Ruhe. Warum also nicht ma etwas dünneres ausprobieren? Ab Werk ist für die Motoren 10w30 und 10w-40 API SJ/CF vorgesehen. Eine 30er-heißviskosität wäre also schonmal zulässig. Dann waren diese frühen Mehrbereichsöle mit nicht besonders stabilen VI-Verbesserern gesegnet, so daß ein zeitgenössisches 10w-40 gerne einen HTHS-Wert von lächerlichen 3,1 erreichen konnte, während ein Einbereichsöl SAE 30 typischerweise HTHS um 3,7 mitbrachte. Da, wo es drauf ankommt, war die Filmstärke eines damaligen 10w-40 also deutlich geringer, als die Heißviskositätsklasse es vermuten ließ.
Das von mir beschaffte Shell 0w-30 AV-L ist ein ACEA C3, hat also mindestens einen HTHS-Wert von 3,5 – und ist damit, was die Schmierfilmstärke angeht, den allermeisten zeitgenössischen 10w-40 deutlich überlegen. Außerdem ist zumindest der Additivhersteller Lubrizol der Meinung, daß die VW 504.00/507.00 ganz besonders scharfe Anforderungen an den Verschleißschutz stellt. Und es gibt ein laut Datenblatt und Laboranalysen anscheined identisches Öl, das ECT C2/C3, das neben vielen weiteren Freigaben auch mit einer MB 229.51 aufwartet. Kurz: Um den Verschleißschutz der Maschine mache ich mir keine Sorgen, da dürfte nichts passieren können.
Besonders beeindrucken ist aber der Viskositätsindex von 204 (!) – der höchste, der mir von einem Motoröl bekannt ist. Das bedeutet, daß dieses Öl in der Kalt- und Warmlaufphase um Welten dünnflüssiger ist als jedes 0w-40, und genau das scheint mir zu sein, was meine doch nicht mehr ganz jungen Hydrostößel haben wollen.

Soweit zur Theorie. Wie sieht das in der Praxis aus?
Zunächst einmal erlosch die Öldruckwarnlampe beim ersten Start nach dem Ölwechsel geradezu beängstigend schnell. Bei einem 10w-40 dauert es im 900 ja durchaus gerne mal ein paar Sekunden, bis das Ölfilter gefüllt ist, mit 0w-40 halbiert sich die Zeit… und mit dem 0w30 ist sie kaum noch meßbar. Das machte schon einmal Hoffnung.
Tatsächlich blieben die Hydros bei und nach der anschließende Probefahrt still. Für abschließende Bewertungen ist es nach gerade mal 80km noch viel zu früh. Ich wäre aber sehr erfreut, wenn mein Plan tatsächlich aufginge…

Vorschau.

Zum Abschluß ein kleiner Teaser. Auf dem Phototisch steht ein Mann w712/80, dessen Innereien ich Euch demnächst präsentieren werde. Dem aufmerksamen Leser wird außerdem nicht entgangen sein, daß sich auf einem der Photos ein Probenset versteckt hat – es wird in den nächsten Tagen also auch noch eine Ölanalyse geben.

Disclaimer:
Der Verfasser hält u.A. Anteile an Royal Dutch Shell (ISIN GB00B03MLX29).

Über turboseize

Das Leben ist zu kurz für langweilige Autos.
Dieser Beitrag wurde unter Automobiles abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Antworten zu Altes Auto, neues Öl – die 600.000km-Inspektion.

  1. Pingback: Motorölanalyse: wieder einmal Shell Helix Ultra 0w-40 im Saab 900 turbo | Schneewittchensaab

  2. Ibrahim El-lahib schreibt:

    Respekt, 600.000km ist ne Menge Laufleistung! Aber die Schweden sind für gute Autos ja bekannt, vorallem wegen dem Rost! Die Bilder sind ja super getroffen, kann mich gar nicht satt sehen auf dem Blog! Schönen Sonntag!

  3. Pingback: An die Wegwerfgesellschaft. | Watt'n Schrauber.

  4. Andreas schreibt:

    Also mir wäre das AV-L zu krass… Gucke bei mir, dass das Öl auch ungefähr die Kalt Visko vom GM Original Öl hat. Hab bei mir festgestellt, dass wenn er richtig heiß ist… also 1-2 Stunden fahrt, dass dann der Turbo pfeift, unter Vollast.
    Seither testete ich 5 w-40 (Castrol), das fand ich im Frühjahr, bei warmen Temps aber zu dick. *rolleyes* Im Gegensatz zum Shell Pureplus ÖL ist der wagen an warmen Tagen nicht mehr so gut vom Fleck gekommen. Wirkte bei warmen Tagen, einfach lange behäbig.
    Und nun teste ich das 0w-40 Shell… Bis jetzt nach 8000km noch keine Geräuschaufälligkeiten.

  5. Pingback: Update: Kilometer, Kleinkram – und wieder mal (heretisches) Motoröl | Schneewittchensaab

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..