900/II v6: erste Eindrücke

Wie schon hier, hier und hier angedeutet gibt es ein neues Auto in der Familie: Die Dame des Hauses fährt ab jetzt einen 900/II. In seiner opeligstmöglichen Form: Als V6.
Gekauft haben wir den Wagen schon zu Weihnachten. Noch auf der Überführung gab es auf den ersten Metern der Fahrt einen Ölwechsel bei MrWash/MacOil – das Öl in der Maschine war zwar erst 8000km, aber auch schon fast drei Jahre alt. Dann ging es auf direktem Weg in die Werkstatt zur Grundwartung.

TD während der Benutzung auf der Überführungsfahrt. Der Fahrer füllt derweil im Pfalzfelder Rasthaus „Zu den goldenen Bögen“ Betriebshilfsstoffe nach.

Der Zahnriemen war mit 20.000km von der Sechzigtausendergrenze seines Wechselintervalls noch weit entfernt, hatte das Zeitlimit seines Intervalls aber auch schon fast verdoppelt. Bei einer solchen Gelegenheit macht man die beim C25XE berüchtigte Wasserpumpe und den Keilrippen- alias Poly-V-Riemen natürlich gleich mit. Im Übrigen noch alle sonstigen Flüssigkeiten getauscht – Kühlwasser, Bremsflüssigkeit und ATF. Gerade letzteres wird leider oft als Lebensdauerfüllung angesehen, die nicht getauscht werden muß. Manchmal wird sogar vom Fahrzeughersteller dieser Eindruck erweckt, obwohl der Getriebehersteller in allen mir bekannten Fällen vehement widerspricht. In gewisser Weise stimmt das mit der Lebensdauerfüllung auch: dann bestimmt halt die Füllung die Lebensdauer des Bauteils…

Im Anschluß an die Grundwartung gab es sofort eine neue HU und AU, so daß der Zulassung außer einer Grippe nichts mehr im Wege stand. Die allerdings hatte es in sich, so daß zwischen Kauf und Abholung ein ganzer Monat verging.
Zu danken habe ich hier besonders der Firma Mobipartners, deren logistische Unterstützung bei der Überführung von unschätzbarem Wert war, und die sich auch um die Ersatzteilbeschaffung und die Koordination der Werkstattarbeiten einschließlich der Vorstellung zur Hauptuntersuchung kümmerte. (Sollte jemand einen Frontantriebsvolvo suchen, lohnt sich ungeachtet der aktuellen Mobile-Inserate eine Anfrage immer: man ist dort gut vernetzt.)

Zeitsprung.

Letztes Wochenende waren die ersten 2Mm in unserer Obhut rum. Kurzentschlossen wurden das Frülingsintermezzo mit immerhin drei Plusgraden genutzt um das Salz herunterzuspülen.
(Man verzeihe mir die Bildqualität -ich hatte keine Kamera, sondern nur den Feldfernsprecher im drahtlosen digitalen Wählnetz dabei.)

Innen ist es übrigens auch recht wohnlich. Grundsätzlich mag ich zwar keine dunklen oder farblosen Innenausstattungen und meide depressive Autos aus Prinzip, aber leider kann man sich das in dieser Preisklasse nicht immer aussuchen – erst recht nicht, wenn man in Deutschland kauft (das war auch bei der 9-5-Ranzbimmel schon so). Sorgen um die seelische Gesundheit dieser Nation scheinen angesichts der allgemein vorherrschenden Tristesse durchaus angebracht.
Ich präzisiere also: im Rahmen der Möglichkeiten einer finsteren Innenausstattung ist es im habitacle durchaus wohnlich. Vor Allem das Leder überzeugt – an das Bridge of Weir eines 901 oder 9000 kommt es nicht heran, aber es spielt noch in einer ganz anderen Liga als das Spaltplastikleder des 9-5.

Sehr praktisch bei Fahrern mit chromosomal bedingt stark differierenden Körpermaßen: der Fahrersitz mit memory-Funktion.

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Es wäre natürlich kein Opel ohne nervige Elektronikmängel: die Taste für die rechte Spalte des Bordcomputermenues funktioniert nur in den seltensten Fällen. Und die Spiegelverstellung kann man auch knicken. Kontaktprobleme, was sonst. Haben diese Schalter alle. Hier rächt sich der billige GM-Plunder dann doch.
Ähnlich wie im 9-5 vermisse ich im Bordcomputer im Übrigen auch die Momentanverbrauchsanzeige. Im 9000 anno 1985 gab es sie – in 902 und 951 wurde sie wegrationalisiert.
Genau wie im 951 läßt sich auch im 902 der Tempomat nur in 1,6km-Schritten verstellen. Was bitte soll dieser Unfug? Eine schwedische Meile ist zehn Kilometer lang, andere Meilen werden nur noch in Drittweltländern* genutzt. Wenn man also den Einwohnern Liberias und Myanmars die Beherrschung des metrischen System nicht zutraut, so wäre es doch sicher ein leichtes Gewesen, solche Einstellungen abhängig vom Auslieferungsland zu machen oder in der Software mit den Displayeinstellungen zu verknüpfen.
Alles nur Kleinigkeiten, aber sowas nervt.

Im Großen und Ganzen jedoch bin ich vom Auto angenehm überrascht. Die Sitze sind nicht so gut wie im 9-5 Vector, aber um Welten besser als alles, was ich in den letzten anderthalb Jahrzehnten in Miet- und Dienstwagen gefahren bin, die Verarbeitung des Innenraumes ist besser als ihr Ruf und das Auto wirkt bei Weitem nicht so billig wie sein Plattformspender vermuten ließe. Dazwischen liegen Welten. (Der Vectra A ist nun beileibe kein schlechtes Auto, er ist nur nicht schön.)

Das erste NightPanel, hier noch politisch inkorrekt.

Unzweifelhaft SAAB ist das Cockpitdesign mit seiner nahezu perfekten Ergonomie. In diesem Auto sehen wir zum ersten mal das Night Panel (hier noch politisch inkorrekt als Black Panel bezeichnet) – eine sehr segensreiche Erfindung, deren Nutzen sich bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Wagens, also auf nächtlichen Langstrecken, dem Kraftfahrer nachdrücklich offenbart. Die erste Version ist noch recht zaghaft – die Nachtfahrtaste schaltet lediglich Drehzahlmesser und Tank- sowie Kühlmitteltemperaturanzeige und die Displays des SID und der Klimaautomatik aus. Die hübsche analoge Zeituhr beispielsweise wird weiterhin beleuchtet. Hier hätte ich mir noch etwas mehr Radikalität gewünscht – im 9-5 wird SAAB dann deutlich rabiater für Dunkelheit und Blendfreiheit sorgen.
Enttäuschend ist alleine das Fahrverhalten. Die Lenkung ist schwerfällig und teigig, die Verbundlenkerachse trampelt unbeladen und entwickelt bei voller Zuladung ein Eigenleben. Landstraßenkurven mögen Auto damit weder Fahrzeug noch Fahrer. Den Namen „900“ trägt das Auto also zu unrecht.
Als Reisewagen auf der Autobahnlangstrecke jedoch überzeugt der Wagen vorbehaltlos. Der Sechszylinder schnurrt wie ein Kätzchen und ist allen Unkenrufen zum Trotz auch nicht besonders durstig. Die Winderäusche halten sich in Grenzen und der Geradeauslauf ist dank des längeren Radstandes bedeutend stoischer als im bei Autobahngeschwindigkeiten bisweilen nervösen Vorgänger.

Zwischenfazit: Kein echter 900, aber dem Stammtisch zum Trotze sehr wohl ein SAAB, und anscheinend auch ein richtig gutes Auto.

*Drittweltland sei ungeachtet des politischen und wirtschaftlichen Systems und des Lebensstandards seiner Einwohner auch jedes Land, das sich dem SI verwehrt  und prämoderne Maßeinheiten nutzt.

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Das Leben ist zu kurz für langweilige Autos.
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9 Antworten zu 900/II v6: erste Eindrücke

  1. Sascha schreibt:

    Schön… einfach schön… Darf man mit einem fortschreitenden „Dauertestbericht“ rechnen? 🙂

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